Michael Krüger

Die Traumelf von Michael Krüger ist ein Spiegelbild seiner Trainerstationen, die ihn von Deutschland bis nach Afrika und wieder zurück führten. Dabei erinnert er sich an den Ehrgeiz von Jens Lehmann, an sich bewahrheitende Vorahnungen von Jürgen Rische und an einen tragischen Todesfall. Zudem erzählt er, wie ein betrunkener Abend mit Peter Neururer ihm den Weg als Trainer in den Profi-Fußball eröffnete und warum er sein Team in Afrika einmal auf einer Verkehrsinsel trainieren ließ.

Die Traumelf von Michael Krüger

Aufstellung

Michael Krüger über …

Jens Lehmann // Torwart // FC Schalke 04

Ende der 1980er war ich auf Schalke Co-Trainer von Peter Neururer. Weil es bei uns noch keinen Torwarttrainer gab, habe ich die Torhüter trainiert. Der erfahrene Werner Vollack war unser Stammtorwart, doch dahinter scharrte der junge Jens Lehmann schon mit den Hufen.

Jens war ein Riesentalent und trotz seiner erst 19 Jahre schon sehr selbstbewusst und meinungsstark. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir sein Ehrgeiz und seine Professionalität. Er wollte jeden Tag besser werden und hat dafür keinen Aufwand gescheut. Sowohl auf dem Platz als auch im Kraftraum hat er hart dafür gearbeitet, selbst die Nummer 1 zu werden.

Der Ersatztorwart meiner Traumelf wäre Thorsten Stuckmann.

Benjamin Siegert // Rechter Verteidiger // Eintracht Braunschweig

Als ich als Trainer der Wolfsburger U23 zu Eintracht Braunschweig gewechselt bin, habe ich Benjamin Siegert mitgenommen, den ich dort schon drei Jahre unter meinen Fittichen hatte. Der Sprung in die 1. Mannschaft des VfL wäre für ihn noch zu früh gekommen, sodass ich ihn von einem Wechsel in die 3. Liga überzeugen konnte. Benjamin war hochtalentiert und charakterlich voll in Ordnung, aber auch ein Luftikus. Er war etwas trainingsfaul, manchmal unpünktlich und hatte eine große Klappe.

Sportlich war Benjamin für mich aber unumstritten. Er war sehr schnell und konnte gefährliche Flanken schlagen, wodurch er viele Tore vorbereitet hat. Mit seiner Spielweise ist er bei den Eintracht-Fans zum Publikumsliebling geworden. Und mit ihm als Leistungsträger haben wir im Jahr 2005 den Aufstieg in die 2. Liga geschafft.

Martin Amedick // Innenverteidiger // Eintracht Braunschweig

Als Eintracht-Trainer war ich 2004 bei einem Spiel von Arminia Bielefeld, um mir einen Stürmer anzuschauen, der mir empfohlen wurde. Statt des Stürmers ist mir Martin aufgefallen, sodass ich ihn etwas später kontaktiert habe, um ihn von einem Wechsel nach Braunschweig zu überzeugen. Nur rund eine Stunde nach unserem Gespräch rief er mich an, dass er gerne zur Eintracht kommen möchte. Das Besondere daran war, dass wir noch nicht konkret über Dinge wie Gehalt oder Vertragslaufzeit gesprochen hatten. Doch er sagte mir, dass er einfach überzeugt ist, dass der Wechsel für ihn der richtige Schritt sei. Das hat sich bestätigt.

In Braunschweig hat Martin super Leistungen gezeigt. Er war ein Top-Profi, total zuverlässig, war bärenstark in der Luft und hat die Hintermannschaft organisiert. Trotz seiner erst 22 Jahre hat er sofort die Rolle des Abwehrbosses eingenommen, die eigentlich für den 30-jährigen Marco Grimm vorgesehen war. Aufgrund seiner guten Leistungen in der 2. Liga hat es nicht lang gedauert, bis der BVB bei ihm angeklopft hat.

Samir Kamouna / Innenverteidiger // Arab Contractors SC

Ende der 1990er Jahre bin ich nach Ägypten zu den Arab Contractors gewechselt. Der Verein steckte zu dem Zeitpunkt im Tabellenkeller, doch am Ende der Saison wurden wir noch Dritter und haben den afrikanischen Pokalsieger-Cup gewonnen. Der Titelgewinn war eine Sensation!

Samir Kamouna war eine der Säulen der Mannschaft. Er war ein überragender Abwehrspieler, dem ich schon damals die Bundesliga zugetraut hätte. Ein kantiger Typ, eklig im Zweikampf, kopfballstark und mit viel Ruhe am Ball. Nach der Saison ist er innerhalb Ägyptens zu Al-Ahly Kairo gewechselt, wo er unter Trainer Rainer Zobel zum Star wurde und zwei Jahre später nach Kaiserslautern gewechselt ist. Dort kam er leider nicht so gut zurecht, was meines Erachtens in erster Linie an seinem Heimweh lag, sodass er dort nur eine Saison geblieben ist.

Mohamed Ouda // Linker Verteidiger // Arab Contractors SC

In Afrika ist die Hierarchie in der Mannschaft stark vom Alter geprägt. Der Kapitän ist in der Regel einer der erfahrenen Spieler. Wenn die Jungen nicht auf sein Wort hören, kann er schon mal eine Backpfeife verteilen. Wenn ich junge Spieler in die erste Elf integriert habe, musste ich das als Trainer dementsprechend behutsam machen und gut moderieren. Mohamed Ouda war so gut, dass ich trotz seiner damals erst 19 Jahre nicht an ihm vorbeigekommen bin. Er war enorm laufstark, hatte einen großen Offensivdrang und konnte gefährliche Flanken schlagen. Charakterlich war er einwandfrei und ein eher ruhig Typ, aber wenn er sich ungerecht behandelt gefühlt hat, konnte er richtig ausflippen.

Frank Pagelsdorf / Defensives Mittelfeld // Hannover 96

Ende 1989 wechselte ich von Schalke zu Hannover 96 in die 2. Liga, weil ich dort die Gelegenheit bekam, selbst Cheftrainer zu werden. Dort traf ich auf eine richtig gute Mannschaft mit Spielern wie Jörg Sievers, Karsten Surmann, Siggi Reich und Frank Pagelsdorf. Frank war der Mannschaftskapitän und mein verlängerter Arm auf dem Platz. Er konnte im Prinzip alles: Er hatte eine gute Technik, war enorm ballsicher und torgefährlich. So ein Spielertyp wie er wäre auch heute noch in der Bundesliga gefragt.

Leider habe ich nur ein halbes Jahr mit ihm zusammengearbeitet, weil Frank sich im Trainingslager in der Winterpause so schwer verletzt hat, dass er seine Karriere daraufhin beenden musste. Das war bitter für ihn und ein Schock für mich. Umso mehr habe ich mich für ihn gefreut, dass er später selbst eine erfolgreiche Karriere als Trainer eingeschlagen hat.

Jens Dowe // Rechtes Mittelfeld // Hansa Rostock

Bei Hansa Rostock war ich Anfang der 1990er Jahre Co-Trainer von Horst Hrubesch. Da der Fußball in der DDR recht hierarchisch geprägt war, waren die Spieler aus dem Osten zunächst recht zurückhaltend, obwohl Horst und ich schon damals eher nahbare Typen waren. Es hat eine Weile gedauert, bis die Spieler gemerkt haben, dass wir beiden Wessis nicht so verkehrt sind.

Besonders ausgeprägt war der Respekt zu Beginn bei Jens Dowe. Jens war ein klasse Fußballer und einer der Lieblingsspieler von Horst. Doch Jens hatte zu Beginn soviel Ehrfurcht vor ihm, dass er möglichst immer nur mit mir gesprochen hat. Dadurch hat sich zwischen uns ein enges und vertrautes Verhältnis entwickelt.

Oumed Oukri // Linksaußen // Saint-George SA

Oukri war sauschnell, drahtig und dribbelstark. Mit seinen Fähigkeiten hätte er locker in der 2. Bundesliga mithalten können. Aber wenn man einem deutschen Manager einen Spieler aus Äthiopien empfiehlt, winken alle sofort ab. Bei Äthiopien denken sie an Kaffee und Langläufer – aber nicht an Fußballer. Das ist in meinen Augen deutsche Überheblichkeit.

Endurance Idahor // Rechtsaußen // Al-Merrikh

Idahor war ein nigerianischer Stürmer, den ich 2008 im Sudan bei Al-Merrikh Khartum trainiert habe. Er war eine richtige Granate. Als ich 2009 das Traineramt bei Alemannia Aachen antrat, habe ich ihn zu einem Probetraining eingeladen. Unser Manager Erik Meijer war auf Anhieb von ihm überzeugt, doch weil die Alemannia damals in großen finanziellen Nöten steckte, hatten wir leider kein Geld, um ihn zu verpflichten.

Nur wenige Tag nach Idahors Abreise waren wir grade auf dem Rückweg von unserem 2:0-Auswärtssieg beim MSV Duisburg, als ich im Bus eine SMS mit der Nachricht bekam, dass er verstorben ist. Ich habe später erfahren, dass er während eines Meisterschaftsspiels bei einem Eckball plötzlich zusammengebrochen und kurz darauf verstorben ist. Sein Tod ist für mich bis heute ein Rätsel. Er kam aus einer intakten Familie, hat nicht geraucht, nicht getrunken und keine Drogen genommen.

Jürgen Rische / Sturm // Eintracht Braunschweig

Jürgen Rische war in Braunschweig ein Kapitän, wie ich ihn mir nicht besser hätte wünschen können. Er war mein verlängerter Arm auf dem Platz und hatte die Mannschaft im Griff. In unserem 4-4-2 war Jürgen sich auch nicht zu schade, die Defensivarbeit für den deutlich jüngeren Achmet Kuru zu machen, der ein reiner Strafraumspieler war. Beeindruckend war auch Jürgens Kopfballtechnik. Daraus hätte man einen Lehrfilm drehen können.

In der Saison 2004/05 kam Jürgen in der Woche vor dem letzten Saisonspiel gegen Bielefeld auf mich zu und sagte mir, dass er die Vorahnung hat, dass er den entscheidenden Elfer rein macht und damit unseren Aufstieg besiegelt. Und genau so ist es auch gekommen! Er hat den Elfmeter zum 3:2 gegen Bielefeld souverän verwandelt. Bei dem Strafstoß war ich aufgeregter als er, denn Jürgen war kalt wie eine Hundeschnauze.

Karriere-Insights von Michael Krüger

Mein Weg zum Trainer

Zu meiner Zeit als Spieler bei Arminia Hannover in der 2. Liga habe ich mit Mitte 20 für eine Weile die Vertretung des erkrankten A-Jugend-Trainers übernommen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, sodass in mir schon früh der Gedanke reifte, nach dem Ende meiner aktiven Karriere Trainer zu werden.

Meine erste Station im Profi-Fußball war Anfang 1989 als Co-Trainer von Peter Neururer auf Schalke. Wir haben 1987 zusammen beim DFB die Fußballlehrer-Lizenz erworben. Während der Ausbildung haben wir uns so gut verstanden, dass wir uns damals im betrunkenen Zustand versprochen haben, dass derjenige, der zuerst irgendwo Trainer wird, den jeweils anderen als Co-Trainer nimmt. Nach nur knapp vier Monaten haben sich unsere sportlichen Wege allerdings schon wieder getrennt, weil ich dann das Angebot erhielt, Cheftrainer bei Hannover 96 zu werden. Privat haben Peter und ich aber noch heute regelmäßig Kontakt.

Meine schönste Station

Ich blicke auf eine lange und abwechslungsreiche Trainerkarriere zurück. Die Frage nach meiner schönsten Station kann ich nicht beantworten. Jeder Verein hatte für mich seinen Reiz und seine Besonderheiten, in Deutschland vor allem Braunschweig und Rostock. Meine größten Erfolge habe ich in Afrika gefeiert, auch wenn in Deutschland kaum jemand Notiz davon genommen hat. Neben dem Erfolg im afrikanischen Cup der Pokalsieger habe ich mit meinen Mannschaften mehrere nationale Meisterschaften und Pokalsiege erringen können.

Arbeiten als Trainer in Afrika

Ende 2005 sollte eigentlich Theo Bücker Trainer bei Arab Constractors werden, doch er stand schon bei einem anderen Verein im Wort. Daraufhin haben sie ihn gefragt, ob er jemand anderen für den Job empfehlen könne, woraufhin er mich ins Spiel brachte. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Angebot von VfL Wolfsburg vorliegen, um dort Co-Trainer von Willi Reimann zu werden, doch aus Neugier habe ich einem Treffen mit den Verantwortlichen des Vereins in Kairo zugestimmt und bin nur mit Handgepäck losgeflogen. Auf meine Frage nach dem Vertragsbeginn, bekam ich als Antwort, dass das Training noch am selben Tag um 14 Uhr angesetzt sei. Damit wurde ich etwas überrumpelt und ich habe aus dem Bauch heraus zugesagt, auch wenn es gegenüber der Offerte von Wolfsburg die Risikovariante war. Erst in der Sommerpause bin ich dann zum ersten Mal wieder in Deutschland gewesen.

Das Arbeiten in Afrika ist mit den deutschen Verhältnissen nicht ansatzweise zu vergleichen. Als Trainer muss man dort jeden Tag auf Überraschungen gefasst sein. Als wir zum Beispiel im Afrika-Cup vor dem Halbfinal-Rückspiel in Kamerun zum Abschlusstraining einfach nicht ins Stadion gelassen wurden, haben wir unser Aufwärmprogramm kurzerhand auf die Rasenfläche einer etwa 50 mal 50 Meter großen Verkehrsinsel verlegt, die mir auf dem Hinweg unweit vom Stadion aufgefallen war. Erst nach einer halben Stunde wurden wir von der Polizei des Platzes verwiesen.

Grundsätzlich muss man in Afrika häufig improvisieren und flexibel sein. Sich über Missstände oder Unpünktlichkeit aufzuregen, bringt nichts. Ein Afrikaner sagte mal einen Satz zu mir, in dem viel Wahrheit steckt: »Ihr Europäer habt die Uhr, aber wir haben die Zeit.« (lacht)

Meine Philosophie als Trainer

Mit dem Begriff Philosophie kann ich nicht sonderlich viel anfangen, schließlich wird heutzutage kaum anders gespielt als zu meiner Zeit. Die Basis ist in der Regel eine funktionierende Defensive, während man vorne je nach Spielertypen und Spielsituation versucht entweder mit Kontern oder Ballbesitz zum Erfolg zu kommen.

Als Trainer habe ich vor allem großen Wert darauf gelegt, eine gute Beziehung zu meiner Mannschaften zu haben. Natürlich muss ich die Spieler nach ihrer Leistung beurteilen, doch wenn es nicht gelingt, eine Vertrauensbasis zu schaffen und den Zugang zu ihren Herzen zu bekommen, ist es kaum möglich, auf Dauer Erfolg zu haben.

Michael Krüger

Afrika ist mein Schicksal

«Geliebt, gejagt, gefeiert - wie der deutsche Trainer zur Legende wurde.»

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Vereine: Alemannia Aachen, Eintracht Braunschweig, Hannover 96, Hansa Rostock
Kategorie: Trainer
Bildcredits: imago / Sven Simon
Autor: Lukas große Klönne

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