Kevin Schindler

Kevin-Schindler-

Kevin Schindler gelang bei Werder Bremen der Sprung zu den Profis, als Werder seine erfolgreichen Jahre unter Thomas Schaaf hatte. Anschließend spielte er bei verschiedenen Zweitligisten und lernte dabei die schönen und die schwierigen Seiten des Profifußballs kennen. Er stellt seine Traumelf aus seiner 10jährigen Karriere vor und erinnert sich dabei an Saunameister Tim Wiese, Motivationskünstler Fabian Boll und die Coolness von Fin Bartels. Außerdem erklärt er, warum Fußball oft ein dreckiges Geschäft ist.

Die Traumelf von Kevin Schindler

Aufstellung

Kevin Schindler über …

Tim Wiese // Torwart // Werder Bremen

Tim war schon ein spezieller Charakter. Das Bild, was die Öffentlichkeit von ihm hat, spiegelt schon vieles von dem wider, wie er ist. Tim hatte immer eine starke Meinung und hat diese auch gegenüber allen vertreten – egal ob gegenüber dem Trainer, den Mitspieler, dem Gegner oder der Öffentlichkeit.

Unser „Saunameister“ hat aber auch viel Stimmung in die Mannschaft gebracht, war ein Spaßvogel. So einen brauchst du im Team, zumal er auf dem Platz immer seine Leistung gebracht hat. Vor allem auf der Linie und im Eins-gegen-Eins war Tim verdammt stark. Und mit seiner Aggressivität hat er Zeichen gesetzt, seine Kung-Fu-Einlage im Spiel gegen den HSV bleibt unvergessen.

Patrick Funk // Rechter Verteidiger // FC St Pauli

Solche Mitspieler wie Patrick wünscht man sich, auf ihn war einfach Verlass. Als Gegenspieler war er im Zweikampf äußerst unangenehm. Er ging im Spiel an seine Grenzen und brachte Leidenschaft auf den Platz. Während unserer gemeinsamen Zeit bei St. Pauli und bei Wehen-Wiesbaden sind wir sehr gute Freunde geworden und geblieben. Das gibt es im Fußball nur selten. Bei einem Vereinswechsel verliert sich der Kontakt zu den ehemaligen Mitspielern meist relativ schnell.

Naldo // Innenverteidiger // Werder Bremen

Mit Naldo war ich mehrere Monate zusammen in der Reha. Ich hatte damals einen Knorpelschaden im Knie und er war ebenfalls schwer am Knie verletzt. Damals war nicht ganz sicher, ob er seine Karriere auf dem Niveau fortsetzen könnte. Er hat aber in der Reha alles dafür getan, dass er weiter Fußball spielen kann. Das war schon beeindruckend, wie ehrgeizig er war und wie er sich für sein Comeback gequält hat.

Dass Naldo später in Wolfsburg und auf Schalke noch so viele Jahre absoluter Leistungsträger wurde, hat mich daher nicht überrascht. Zumal er auf dem Platz sehr viele Qualitäten hatte. Mit seiner Ausstrahlung und seiner körperlichen Präsenz war er der Abwehrchef. Und sein Schuss… Bei seinem Freistoßtraining musste ich oft in die Mauer. Das konnte sehr schmerzhaft werden!

Per Mertesacker // Innenverteidiger // Werder Bremen

Das Interview von Per über den großen Druck im Profi-Fußball im SPIEGEL habe ich natürlich mit Interesse gelesen. Ich habe ihn ja häufig in der Kabine erlebt, aber da ist mir nicht aufgefallen, wie sehr ihm der Druck zu schaffen gemacht hat. Vor den Spielen war er meist ziemlich ruhig, vielleicht war das seine Art, damit umzugehen.

Auf seine Leistung scheint es sich aber nicht ausgewirkt zu haben. Er war nicht der schnellste, aber ein intelligenter Spieler, mit einem Top-Stellungsspiel, der seinen Körper gut einsetzen konnte. Im Training konnte es für mich als Stürmer gegen »Merte« und Naldo echt unangenehm werden. Von denen habe ich die eine oder andere Blessur davongetragen.

Christian Schulz // Linker Verteidiger // Werder Bremen

Christian ist nur ein paar Jahre älter als ich. Als ich mit 18 zu den Profis hochgekommen bin, war Christian einer meiner ersten Ansprechpartner. Er hat es mir einfach gemacht, in der Mannschaft aufgenommen zu werden. »Schulle« ist einfach ein super Typ, durch und durch sympathisch. Wir haben auch außerhalb des Fußballs öfter zusammen etwas unternommen.

Auf dem Platz ist er auf der linken Seite rauf und runter marschiert. Er war sportlich zwar nicht immer ganz unumstritten, aber seine Bedeutung hat sich vor allem nach seinem Abgang gezeigt, als Werder auf der Position des linkes Verteidigers jahrelang Schwierigkeiten hatte.

Fabian Boll // Defensives Mittelfeld // FC. St. Pauli

Ich habe nie einen authentischeren Spieler kennengelernt als Fabian. Er war ein Leitwolf mit großer Autorität. Er hat die Mannschaft geführt, wie ich es davor oder danach bei keiner Mannschaft mehr erlebt habe. In guten wie in schlechten Zeiten ist er immer vorneweg gegangen und hat dabei alle mitgenommen.

Vor wichtigen Spielen hat er immer zur Mannschaft gesprochen. Das waren nicht nur drei oder vier Floskeln, sondern mehrminütige Kabinenansprachen. Was er da immer aus dem Hut gezaubert hat, war unglaublich. Damit hat er die ganze Mannschaft heiß gemacht und auf das Spiel eingeschworen.

Auf dem Platz war er ein richtiges Kampfschwein, das niemals aufgegeben hat. Für den ganzen Verein war Fabian eine große Identifikationsfigur. Als er seine Karriere beendet hat, war das für Pauli ein riesiger Verlust! Selbst in dieser Traumelf mit all den Fußball-Größen ist es für mich keine Frage, dass Fabian der Mannschaftskapitän wäre.

Diego // Rechtes Mittelfeld // Werder Bremen

Diego war ein genialer Spieler! Mit ihm zusammenzuspielen, war eine Ehre. Auf dem Platz hatte er alle Freiheiten, und das hat er mit Weltklasseleistungen zurückbezahlt. Auch im Training hat er uns mit seinen technischen Fähigkeiten immer wieder verblüfft.

Bei seinen weiteren Stationen ist er nie wieder so groß aufgetrumpft wie in Bremen. Ich glaube, dass das ein großer Verdienst von Trainer Thomas Schaaf und Manager Klaus Allofs war. Und auch das familiäre Umfeld und der Rückhalt der Fans macht es Profis in Bremen leichter als anderswo. Selbst nach mehreren Niederlagen gehen die Fans nicht auf die Barrikaden, sondern stehen weiter hinter der Mannschaft.

Fin Bartels // Linkes Mittelfeld // Hansa Rostock

Mit Fin habe ich in Rostock und bei St. Pauli zusammen gespielt. Wir hatten zwar keinen besonders engen Draht zueinander, aber es war gut, so einen Typen wie ihn in der Mannschaft zu haben. Er hatte immer die Ruhe weg, ihn hat man nie gestresst oder in Hektik gesehen.

Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat, aber wenn um 9:30 Uhr Training war, kam Fin gefühlt jedes Mal genau eine Minute vorher in die Kabine geschlendert. Und wenn er mal zu spät gekommen ist, konnte ihm das niemand übel nehmen. Aber sobald das Training oder das Spiel begann, hat er Gas gegeben. Er war flink und konnte einen schwindelig spielen.

Fin war ein außergewöhnlich guter Spieler in der 2. Liga. Dass er bei Bremen auch in der 1. Liga groß aufgetrumpft hat, freut mich sehr. Er kommt aus dem Norden und die Mentalität in Bremen kam ihm sicherlich entgegen. Ich habe selbst gemerkt, dass die Mentalität zum Beispiel in Augsburg ganz anders ist. Das empfand ich als eine große Umstellung.

Claudio Pizarro // Offensives Mittelfeld // Werder Bremen

Claudio gehört sicherlich zu den besten Stürmern, den die Bundesliga in den letzten 20 Jahren zu bieten hatte. Er konnte sich auch fallen lassen und die Bälle verteilen. Daher stelle ich ihn in meiner Traumelf auf die Zehner-Position. Seine Technik und seine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor waren überragend. Er war schon damals eine Legende in Bremen und ein Sympathieträger, zu dem ich als junger Spieler aufgeschaut habe.

Dass er mit 40 Jahre noch für Werder in der Bundesliga gespielt hat, ist unglaublich! „Pizza“ hat einfach die richtigen Gene. Dass er derjenige war, der immer Extra-Schichten gefahren hat, kann man nämlich nicht behaupten. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Neben dem Platz war er eine Frohnatur und ein lockerer Typ. Ich lag mal neben ihm auf der Massagebank, Handys und Tablets waren streng verboten. Doch Claudio spielte trotzdem auf dem iPad. Dann kam Thomas Schaaf rein – eine große Autorität als Trainer. Schaaf meinte zu Claudio: „Das gibt eine Geldstrafe!„. „Wie viel„, wollte Claudio wissen. „1000 Euro„, meinte Schaaf. Darauf sagte Claudio nur lapidar: „Kein Problem, zahl ich„, und zockte einfach weiter. (lacht)

Miroslav Klose // Sturm // Werder Bremen

Als ich als junger Spieler bei Werder zu den Profis kam, war Klose für mich als Stürmer ein großes Vorbild. Vor allem sein Einsatzwillen hat seinesgleichen gesucht. Ich erinnere mich an eines meiner ersten Spiele, bei denen ich bei Werder im Profi-Kader war. Miro hatte den Gegner von vorn bis an den eigenen Strafraum verfolgt, den Ball erobert, den Gegenangriff eingeleitet und dann auch noch das Tor gemacht. Alles in vollem Tempo. Die Szene hat sich in meinem Kopf eingebrannt und steht dafür, was ihn auf dem Platz ausgemacht hat: seine Laufstärke, seine mannschaftsdienliche Spielweise und seine Torgefahr.

Als Typ war Miro meist ruhig und gelassen. In der Kabine er aber auch mal einen Spruch rausgehauen.

Daniel Ginczek // Sturm // FC. St. Pauli

Daniel und ich kamen gleichzeitig zu St. Pauli. Wir waren damals sechs oder sieben Neuzugänge. Normalerweise lernen sich die neuen Spieler schnell untereinander kennen, doch wir beiden haben die ersten Wochen nicht mehr als „Hallo“ zueinander gesagt. Nach fast einem Monat haben wir uns dann einfach mal fürs Mittagessen verabredet. Das war der Startschuss für unsere tiefe Freundschaft. Heute bin ich sein Trauzeuge und Patenonkel seines Kindes.

Als Fußballer ist »Dani« ein Stehaufmännchen. Auch nach schweren Verletzungen hat er sich immer wieder zurückgekämpft, macht viel Training für sich selbst. Wir haben viel Zeit zusammen im Kraftraum verbracht. Sein starker Körper hilft ihm auf dem Platz, er ist sehr robust und trotzdem schnell. Außerdem weiß er, wo das Tor steht!

Karriere-Insights von Kevin Schindler

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.

Video laden

Video: Kevin Schindler als Torschütze im Trikot vom FC Wehen Wiesbaden

Mein bester Trainer

Im Jugendbereich von Werder war Thomas Wolter mein Mentor und Förderer. Bei den Profis war die Zusammenarbeit mit Michael Frontzeck bei St. Pauli grandios. Er ist ein Trainer durch und durch, der auch in schwierigen Zeiten stets die Ruhe bewahrt hat. Zudem ist er seinen Spielern gegenüber sehr ehrlich. Er kam vor allem über die Ansprache, konnte uns gut auf die Spiele einschwören.

Sein trockener Humor war einzigartig. Ein Beispiel: Wir hatten auf dem Trainingsplatz eine Taktikeinheit, als ein Schwarm Vögel in V-Formation über uns flog. Der Trainer schrie über den ganzen Platz: »Männer! Stop! Guck nach oben! Seht euch die Vögel an. Das ist eine Ordnung!« Auf dem Platz sind wir alle vor Lachen zusammengebrochen!

Meine schönsten Stationen als Profi

Bremen und St. Pauli waren mit Abstand meine schönsten Stationen. In bin unweit von Bremen aufgewachsen. Es als Jugendspieler bei meinem Heimatverein bis in den Profi-Kader zu geschafft zu haben, war natürlich traumhaft.

Meine sportlich beste Zeit hatte ich bei St. Pauli. Die Fans, das Stadion, die Stadt – hier habe ich mich immer wohlgefühlt. Vor allem die Abendspiele am Millerntor boten eine fantastische Atmosphäre. Wir konnten auch 0:3 verlieren, wenn wir alles gegeben hatten, wurde wir trotzdem gefeiert. Nach den Heimspielen sind wir oft direkt auf den Kiez, wo wir dann teilweise mit den Fans gefeiert und mit ihnen auch mal einen getrunken haben.

Das Business Bundesliga

Fußball ist oft ein dreckiges Geschäft! Als Spieler kann man bei einem Verein schnell mal auf dem Abstellgleis landen. Und dann bekommst du dort erstmal keine Chance mehr. Sei es wegen einer Verletzung oder weil ein neuer Trainer und/oder ein neuen Manager kommt. Wenn die Neuen nicht auf dich setzen oder jemand anderen für deine Position holen, dann ist das einfach so. Bestes Beispiel: Jos Luhukay und Marcel Ndjeng – der hat ihn überall mit hingenommen. So einen Trainer hätte ich auch gerne gehabt. (lacht).

Aber wenn du dann auf genau dieser Position spielst, hast du das Nachsehen. Und dann hast du den Verein zu verlassen. Punkt. Das bekommt man allerdings meist nicht direkt ins Gesicht gesagt, sondern das läuft subtiler ab. Zum Beispiel bekam ich nach einem Testspiel mal zu hören, dass meine Leistung nicht gut war, obwohl ich ein gutes Spiel und 2 Tore gemacht hatte. Trainer zu sein ist sicher auch kein einfacher Job, aber vor allem, wenn es sportlich gut läuft, sitzen die immer am längeren Hebel.

Werdegang von Kevin Schindler

Jahre Verein Spiele (Tore)
2007-2008 Werder Bremen 5 (0)
2008-2009 Hansa Rostock 32 (5)
2009 FC Augsburg 5 (0)
2010 MSV Duisburg 3 (0)
2010-2011 Werder Bremen 0 (0)
2011-2014 FC St. Pauli 57 (3)
2014-2017 SV Wehen Wiesbaden 59 (8)
2017-2018 FC Cincinetti 8 (1)

Vereine: Werder Bremen, SV Wehen-Wiesbaden, FC St Pauli, Hansa Rostock
Kategorie: Spieler
Bildcredits: imago/Oliver Ruhnke
Autor: Lukas große Klönne

Die Traumelf weiterer Fußball-Legenden