Jerome Polenz

Jerome Polenz

Von Bremen bis Brisbane hat Jerome Polenz aufregende Zeiten als Profi-Fußballer erlebt. Hier stellt er seine Traumelf aus früheren Teamkollegen vor. Dabei erinnert er sich an schmerzhafte Ohrenschnippser von Tim Wiese, DJ Patrick Owomoyela und Fußballgot Shinji Ono. Außerdem spricht er über seinen mit Abstand besten Trainer und verrät, wie zu WG-Zeiten mit Thomas Broich beim nächtelangen Fußball gucken im Fernsehen die Idee für ihre gemeinsame TV-Sendung entstand, mit der sie der Fußballberichterstattung wohltuenden Tiefgang verleihen.

Die Traumelf von Jerome Polenz

Aufstellung

Jerome Polenz über …

Tim Wiese // Torwart // Werder Bremen

Zwar kommt Tim in der Öffentlichkeit mit seinen Luxusautos, Tattoos und Muskelbergen wie ein Proll rüber, aber im Grunde genommen ist er ein netter, angenehmer und verdammt lustiger Kerl. Besonders gefreut hat er sich, wenn wir zum Warmmachen Ball hochhalten gespielt haben, denn wer dabei einen Fehler gemacht hat, bekam von den anderen mit dem Finger einen Ohrenschnipser verpasst. Tim hatte dabei eine so krasse Technik, dass er einem dabei fast das Ohr abgeschnipst hat (lacht).

Sportlich hatte Tim eine unglaubliche Reaktionsstärke und die krasseste Sprungkraft, die je ich bei einem Torwart gesehen habe. Auf dem Platz war er bisweilen etwas wahnsinnig, aber das gehörte zu seinem Spiel dazu.

Pierre Womé // Linker Verteidiger // Werder Bremen

Weil ich recht passabel Französisch spreche, war ich für Pierre Womé und Johan Micoud in Werder Bremen der Übersetzer. Auch wenn wir keine engen Freunde waren, hatte ich dadurch schnell einen Draht zu Pierre. Während ich ein noch unerfahrener Nachwuchsspieler aus dem Nachwuchsinternet war, kam er als gestandener Profi von Inter Mailand zu uns. In den Trainingsspielen haben sich unsere Wege sehr häufig gekreuzt, weil er der Stammelf der linke und ich bei den Reservisten der rechte Verteidiger war. Jedes Training hat Schmerz für mich bedeutet, denn er hatte einen Körper aus Stahl. Zudem war er ein Zweikampfmonster und hat alles umgetreten, was in seiner Nähe war. Und das war nun mal ziemlich häufig ich (lacht). Doch das hat mich gestählt. Und so richtig böse konnte man ihm gar nicht lange sein, weil er eine positive Art hatte und ein echter Spaßvogel war.

Naldo // Innenverteidiger // Werder Bremen

Naldo ist der kompletteste Innenverteidiger, mit dem ich jemals auf dem Platz gestanden habe. Zu unserer Zeit in Bremen war er noch recht jung, aber hatte schon damals die Ruhe und die Ausstrahlung eines alten Hasen. Mit seiner Größe war er enorm kopfballstark, hatte ein super Zweikampfverhalten, einen unglaublich harten Schuss und war im Spielaufbau eine Bank.

Naldo war ein durch und durch angenehmer Typ, verbindlich auf und neben dem Platz. Anders als der eine oder andere Brasilianer war er kein großer Partygänger, sondern sehr ruhig, fast schon introvertiert. Niemand hat so wenig gesprochen wie er, aber dafür hatte er immer ein Lächeln auf den Lippen.

Matthew Spiranovic // Innenverteidiger // Western Sydney Wanderers

Matthew ist einer der spielerisch besten Innenverteidiger, die ich in meiner Karriere kennengelernt habe. Aufgrund seiner außergewöhnliche Ballbehandlung, Antizipationsfähigkeit und großen Übersicht konnte er alles spielerisch lösen. Mit seinen Qualitäten wäre er auch einer für die Sechser-Position gewesen. Als Typ war Matthew ein typischer Australier, locker und relaxt.

Patrick Owomoyela // Rechter Verteidiger // Werder Bremen

Auch wenn »Owo« bei Werder mein Konkurrent auf der Rechtsverteidiger-Position war, ist er in Bremen einer meiner Lieblingsmitspieler gewesen und war eine Art Mentor für mich. Er war ein total positiver Typ, der immer einen Witz auf Lager hatte. Wir haben auch privat viel unternommen und oft bei ihm Zuhause an den Turntables Musik gemacht.

Auf dem Platz bestach Owo durch seine Dynamik und sein Tempo. Er wurde erst recht spät Profi, hat sich dann aber in kurzer Zeit extrem gut entwickelt eine beeindruckende Karriere hingelegt, unter anderem mit zwei Meistertiteln beim BVB. Sein vielleicht bestes Spiel für Werder hat er in der Champions League im Weserstadion gegen den FC Barcelona gemacht.

Miguel Ángel Corona // Defensives Mittelfeld // Brisbane Roar

Miguel stammt aus der Jugend von Real Madrid und hat in Spanien unter anderem für Real Saragossa und UD Almeira gespielt, bevor er nach Australien gewechselt ist. Es war spannend, wenn er von der Real-Akademie und der Primera División erzählt hat.

Er war ein intelligenter Typ, von dem man auf und neben dem Platz eine Menge lernen konnte. Ich habe nie einen Spieler erlebt, der eine solche große Ruhe am Ball hatte wie er. Selbst wenn drei Gegenspieler auf ihn zugestürmt sind und ihn unter Druck gesetzt haben, ist Miguel nicht hektisch geworden und hat noch die richtige Lösung gefunden.

Aaron Hunt // Linkes Offensives Mittelfeld // Werder Bremen

Aaron ist bis heute einer meiner besten Kumpels. Bei Werder waren wir einige Jahre zusammen im Nachwuchsleistungszentrum und haben damals viel Blödsinn angestellt. Fast jeder hat ein paar Jugendsünden auf seinem Kerbholz, für uns war nur problematisch, dass es am nächsten Tag in der BILD-Zeitung stand und es vor allem Aaron lange nachhing. Dadurch haben viele nicht gesehen oder sehen wollen, wie reif er mit der Zeit geworden ist und er sich nicht nur zu einem Top-Profi, sondern auch zu einer echten Persönlichkeit entwickelt hat. Aaron hat keine Angst seine Meinung zu sagen und diese auch zu vertreten, selbst wenn diese unbequem ist nicht jedem gefällt. Das zeugt für mich von Charakter.

Aaron hatte des öfteren Leistungsschwankungen, aber in Top-Form war er einer der besten Spieler auf der Position in der Bundesliga und konnte ein Spiel im Alleingang entscheiden. Er hatte einen Blick für den Räume, konnte Zuckerpässe spielen und war mit seinem starken linken Fuß immer für ein Tor gut.

Shinji Ono // Rechtes Offensives Mittelfeld // Western Sydney Wanderers

In Deutschland kennt man Shinji Ono aus seiner Zeit beim VfL Bochum. „Meister“ Shinji war auf dem Platz ein kleiner Mager. In regelmäßigen Abständen hat uns, den Gegner und die Fans mit neuen Geniestreichen verblüfft und unfassbar schöne Tore geschossen.

Als „Asiens Fußballer des Jahres“ 2002 ist er in seiner Heimat Japan ein Superstar. Als wir in der asiatischen Champions League ein Auswärtsspiel in Tokio hatten, gingen wir in unserer Freizeit zum Kaffeetrinken in eine Shopping-Mall. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sich an unserem Tisch eine Schlange von 50 Leuten gebildet hat, die alle ein Autogramm von ihm wollten. Geduldig und großzügig, wie er ist, hat er jeden Autogrammwunsch erfüllt. Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, was für ein großartiger Mensch Shinji ist. In der Mannschaft war er bei jedem hoch angesehen und auch für mich einer der angenehmste Teamkollegen, die ich jemals hatte.

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Youssouf Hersi // Rechtsaußen // Western Sydney Wanderers

Youssouf kam aus der Jugend von Ajax Amsterdam, hat lange in Holland und bei AEK Athen gespielt, bevor er nach Australien kam. In Sydney war er mein bester Buddy. Da wir in der gleichen Wohnanlage gelebt haben, sind wir fast jeden Tag gemeinsam zum Training gefahren und haben auch privat viel unternommen. Er war ein verrückter und lustiger Typ, der den ganzen Tag Reggae gehört hat.

Auch sportlich haben wir uns super verstanden und in der Liga auf der rechten Seite zusammen unsere Gegner aufgemischt.

Thomas Broich // Linksaußen // Brisbane Roar

Thomas ist sehr intelligent und macht sich auch über den Fußball hinaus viele Gedanken. Er steht zu seiner Meinung, ist sich immer treu geblieben und hat keine Angst, neue Dinge auszuprobieren. In Brisbane haben wir zusammen in einer WG gelebt und sind dort zu richtig guten Freunden geworden.

Nach seinem Wechsel nach Australien hat Thomas die Liga dort jahrelang geprägt. Er hat Brisbane Roar mehrfach zum Meistertitel geführt und wurde sogar zu Australiens »Spieler des Jahrzehnts« gewählt. Auf dem Platz hat Tom Dinge gesehen, die nicht viele sehen und konnte dann aus dem Nichts Traumpässe spielen, mit denen er unzählige Tore vorbereitet hat.

Miroslav Klose // Mittelstürmer // Werder Bremen

Miro hatte schon alleine aufgrund seiner unfassbaren sportlichen Qualität eine große Aura auf dem Platz. Im Film Being Mario Götze spricht Jogi Löw darüber, dass er sich bei der Startelf fürs WM-Finale 2014 gegen Argentinien bewusst für Miro statt für Mario entschieden hat, weil er eine größere Ausstrahlung auf die Gegner hat. Das kann ich absolut nachvollziehen.

Als Mitspieler war es ein super gutes Gefühl, mit Miro auf dem Platz zu stehen. Sein Antritt, seine Schnelligkeit und Kopfballstärke waren einmalig. Er hatte eine Sprungkraft wie Tim Wiese! Im Team war er hoch angesehen. Obwohl er WM-Torschützenkönig und ein Superstar war, hatte er keinerlei Allüren. Im Gegenteil: Miro war einer der härtesten Arbeiter, die ich kennengelernt habe. Gefühlt war er jeden Morgen als Erster beim Training und hat sich auch viel um die jungen Spieler gekümmert. Dafür hin ich ihm heute noch dankbar. In meiner Traumelf würde ich definitiv Miro die Kapitänsbinde geben.

Mich wundert nicht, dass Miro die Trainerkarriere einschlägt. Ich bin überzeugt davon, dass er ein sehr guter Trainer werden kann. Er ist ein ruhiger, intelligenter und überlegter Typ. Er wird sich ganz bewusst dafür entschieden haben, zunächst im Jugendbereich zu arbeiten und den Trainerberuf von der Pike auf zu erlernen, anstatt wie viele andere gleich eine Profi-Mannschaft zu übernehmen und dann aufgrund mangelnder Erfahrungen früh zu scheitern.

Karriere-Insights von Jerome Polenz

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Mein bester Trainer

Ich habe auch viel von Thomas Schaaf gelernt, aber Tony Popovic bei den Western Sydney Wanderers war mit großem Abstand der beste Trainer, den ich je erlebt habe. Zum einen hatte er große Präsenz und eine unfassbare Aura. Wenn er in den Raum kam, waren alle still. Zum anderen war er fachlich außergewöhnlich gut. Man hat ihm jedes Wort abgenommen. So komisch das auch klingen mag, er hat mir und vielen meiner Mitspielern erst erklärt, wie Fußball funktioniert. Mit seinen fantastischen Videoanalysen hat er uns im Detail gezeigt, wie wir unsere Gegner schlagen können – und im Spiel ist es dann genauso eingetreten! Außerdem hat uns so viel Selbstvertrauen eingeimpft, dass wir auf dem Platz das Gefühl hatten, gar nicht verlieren zu können.

Unglaublich waren auch Tonys Professionalität und seine Akribie. Dazu eine Anekdote: Ich war bei ihm als Rechtsverteidiger unumstrittener Stammspieler und habe konstant gute Leistungen gezeigt, aber auf einmal hat er mich für zwei Spiele auf die Bank gesetzt, darunter eine Partie der AFC Champions League. Als er gemerkt hat, wie sauer ich darüber war, hat er mich zu sich ins Büro bestellt und gefragt, wie ich meiner Meinung nach in den letzten vier Wochen trainiert hätte. »Gut, wie immer«, so meine Antwort. Daraufhin hat er seinen Laptop aufgeklappt und mir gezeigt, dass er sich nach jedem Training zu jedem Spieler Notizen zu der Trainingsleistung inklusive Benotung gemacht und das in einem Verlaufschart dargestellt hat. Anhand dessen hat er mir gezeigt, dass meine Leistungskurve seit ein paar Wochen nach unten ging. Dagegen hatte ich keine Argumente mehr. Er sagte dann zu mir, dass er mich im nächsten Spiel wieder aufstellt, ich aber Gas geben soll, um wieder mein Top-Niveau zu erreichen. Dadurch ist er in meinem Ansehen noch weiter gestiegen.

Die Herausforderungen für Jungprofis

Wer junge Profis allzu schnell für ihre Entscheidungen und Aussagen außerhalb des Spiels kritisiert, sollten bedenken, dass es einfach nicht normal ist, mit 20 Jahren sehr viel Geld zu haben und in der Öffentlichkeit zu stehen. Man muss zunächst lernen, damit umzugehen und zu erkennen, was gut für einen ist und was nicht, wer es gut mit einem meint und wer nicht. Die einen können das recht schnell, die anderen brauchen dafür etwas länger und wiederum andere lernen es nie. Jedenfalls sollte niemand erwarten, dass ein Jungprofi im Kopf schon so weit ist wie ein 35-jähriger.

In Australien ist Fußball nach Rugby und dem Australian Football nur die Sportart Nr.3. Dadurch sind der Druck und das mediale Interesse deutlich geringer als in Deutschland. Das machte das Arbeiten für mich dort sehr angenehm, auch weil die Trainer in Ruhe mit ihrer Mannschaft arbeiten und etwas entwickeln können.

Meine Stationen von Bremen bis Brisbane

Bei Werder bin ich unter Thomas Schaaf Profi geworden. Auch wenn ich den Durchbruch dort nicht geschafft habe, war es der Startschuss für meine Karriere. Nach meinem Wechsel zu Alemannia Aachen hatte ich bis zu meinem Kreuzband- und Meniskus eine sehr gute Zeit. Bei Union Berlin passt es für mich leider mit Trainer Uwe Neuhaus nicht so.

Auch wenn ich Thomas damals noch nicht persönlich kannte, war die Doku „Tom meets Zizou“ mit ihm in der Hauptrolle einer der wesentlichen Gründe, warum ich von Berlin nach Australien gegangen bin. In Sydney hatte ich die schönste Zeit meiner Karriere. Sportlich und privat hat dort alles gepasst. Wir sind Meister und Champions-League-Sieger geworden, und der Lifestyle war einfach perfekt. Hätte ich mich bei den Vertragsverhandlungen nicht verzockt, wäre ich gerne länger dort geblieben. Das ist für mich damals dumm gelaufen, aber über den Umweg Sarpsborg 08 FF in Norwegen hat sich für mich die Tür zu Brisbane Roar geöffnet. Ich hatte Thomas kontaktiert und er hat meinen Rückkehr nach Australien eingefädelt. In Brisbane haben wir in einer WG gelebt und wurden zu besten Freunden.

Sportlich wäre in meiner Karriere sicherlich noch mehr drin gewesen. Meine Zeit als Profi war schön, lehrreich und aufregend, sodass ich im Endeffekt zufrieden bin, auch weil sie mir den Weg in meine zweite Karriere geebnet hat.

Meine Arbeit als Fußball-Experte

In unserer WG haben Thomas und ich Tag und Nacht Fußball geschaut, vor allem die europäischen Ligen. Bei der Berichterstattung und der Fußballanalyse hat uns aber etwas gefehlt, es war meist zu oberflächlich. Daraufhin haben wir Konzepte entworfen, wie man es anders und mit mehr Tiefgang machen könnte.

Nach unserem Karriereende haben wir die Idee weiterverfolgt und einen Prototypen einer Fußball-Show erstellt. Diese haben wir von verschiedenen Stellen angeboten. Alle fanden das spannend, doch letztlich haben wir uns für DAZN entschieden, weil unser Format am besten zu dem Sender und zu der jungen Zielgruppe passt. Gemeinsam mit Tom als Experte erst für DAZN und mittlerweile für die ARD im Einsatz zu sein und mit „Tom & Jiro Talking Tactics“ eine eigene Show und unseren eigenen Fußball-Blog zu führen, ist ein Traumjob.

Der Werdegang von Jerome Polenz

Jahre Verein Spiele (Tore)
2006-2007 Werder Bremen 3 (0)
2007-2010 Alemannia Aachen 51 (0)
2010-2012 Union Berlin 14 (0)
2012-2014 Western Sydney Wanderers 47 (2)
2014 Sarpsborg 08 FF 2 (0)
2015-2016 Brisbane Roar 12 (0)

Vereine: Werder Bremen, Alemannia Aachen, Union Berlin
Kategorie: Spieler
Bildcredits: imago/HochZwei
Autor: Lukas große Klönne

Die Traumelf weiterer Fußball-Legenden