Thomas Broich

Thomas Broich

Thomas Broich sollte Anfang des Jahrtausends den deutschen Fußball retten, doch es kam anders. Die Doku “Tom Meets Zizou” aus dem Jahr 2011 zeichnete das Bild eines mündigen Profis, der nicht bereit war, sich dem Bundesliga-Business anzupassen. Stattdessen wechselte er nach Australien, wo er nach sieben Jahren bei Brisbane Roar zum “Fußballer des Jahrzehnts” gewählt wurde. Hier stellt er seine persönliche Traumelf aus früheren Teamkollegen vor, spricht über die Improvisationskünste von seinem Ex-Trainer Christoph Daum und erklärt, warum er gerne selbst Trainer werden möchte.

Die Traumelf von Thomas Broich

Aufstellung

Thomas Broich über …

Jamie Young // Torwart // Brisbane Roar

Bei Jamie hat mich die Kombination aus Talent, Einstellung und Persönlichkeit schwer beeindruckt. Wenn ein Mensch so ist wie er, hat er im Leben ganz viel richtig gemacht. Für unsere Mannschaft war er Gold wert, selbst wenn er nicht gespielt hat, denn er hat den Teamgeist in jeder Sekunde zu 100 Prozent gelebt und sich um jeden Einzelnen in der Mannschaft gekümmert.

Mit seiner unglaublichen Reaktionsstärke wäre er wohl bei jedem anderen Verein in der A-League sofort die Nummer 1 gewesen, doch bei uns musste er sich lange hinten anstellen. Das war schwer für ihn, aber anstatt sich zu beschweren oder hängenzulassen, hat er einfach immer weiter Gas gegeben. Kritik hat er super angenommen, weil er sie als Chance gesehen hat, sich weiterentwickeln zu können. Auch abseits des Platzes hat er sich viel mit Themen wie Motivation und Mindset beschäftigt und nebenbei studiert.>

Jerome Polenz // Rechter Verteidiger // Brisbane Roar

In der A-League lief es für mich die ersten Jahre traumhaft – bis “Jiro” zu den Western Sydney Wanderers kam und mir in den Spielen gegen ihn gründlich den Zahn gezogen hat. Er war zwar nicht der Schnellste, verfügte aber über eine hohe Spielintelligenz. Er war stark in der Defensive und hat darüber hinaus viele Akzente nach vorne gesetzt. Zudem war er ein knochenharter Spieler, der für mich wie ein Poser rüberkam. Alles in allem habe ich es gehasst, gegen ihn zu spielen. Damals kannten wir uns noch nicht persönlich, doch in den Spielen gegeneinander habe ich schnell eine gesunde Abneigung gegen ihn entwickelt.

Deshalb wollte ich eigentlich nichts weiter mit ihm zu tun haben. Allerdings war Brisbane eines Tages auf der Suche nach einem Rechtsverteidiger. Jiro spielte zu der Zeit wieder in Europa, wollte aber zurück nach Australien. Also habe ich meinem Trainer empfohlen haben, Jerome zu verpflichten. Mein Kalkül dabei: Wenn ich nicht mehr gegen ihn spielen will, muss er halt zu mir ins Team kommen. (lacht)

In Brisbane hat sich zwischen uns dann schnell eine enge Freundschaft entwickelt. Weil ich ohnehin eher ein WG-Typ bin und in einem großen Haus gewohnt habe, ist Jiro bald zu mir gezogen. Wir hatten eine fantastische Zeit, in der wir viel Spaß gehabt und beim nächtelangen gemeinsamen Fußballgucken erste Pläne für unser eigenes TV-Format “Talking Tactics” geschmiedet haben, mit dem wir nun für DAZN Vorberichte liefern.

Stefan Frühbeis // Innenverteidiger // Wacker Burghausen

Stefan ist kaum älter als ich, doch er war schon in jungen Jahren sehr reif. Fußball war für ihn wichtig, aber nicht sein Ein und Alles, sondern er hatte auch vielfältige andere Interessen wie zum Beispiel Spiritualität. In meiner Anfangszeit bei Wacker Burghausen hat er mich unter seine Fittiche genommen und mich geprägt. Als ich zu den Profis kam, bin ich schnell ungeduldig geworden, wenn ich mal auf der Bank saß. In diesen Momenten hat er mir Realitätssinn eingeimpft und gezeigt, dass ich nicht erwarten kann, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Unsere Verbindung hat die 16.000 Kilometer Entfernung zwischen Deutschland und Australien überstanden und besteht bis heute.

Sportlich war Stefan ein Pfund, ein Zweikampfmonster mit einem unglaublichen Kopfballspiel. In unserer Aufstiegssaison mit Burghausen in die 2. Bundesliga im Jahr 2002 hat er als Abwehrspieler neun Tore gemacht und wurde zum »Spieler der Saison« gewählt.

Matt Smith // Innenverteidiger // Brisbane Roar

„Smiddy“ hatte bereits Marketing studiert und in einem normalen Bürojob gearbeitet, bevor er mit Mitte 20 seinen ersten Profivertrag in der Tasche hatte. Quasi aus dem Nichts gekommen, hat er es sogar noch bis in die australische Nationalmannschaft geschafft. Fußballerisch war er zwar kein Naturtalent, aber unfassbar wissbegierig und absolut kritikfähig. Er wollte immer vom Trainer hören, was er besser machen kann. Er war ein mutiger Verteidiger, verfügte über ein gutes Aufbauspiel und hat mit seinen vertikalen Bällen ins Mittelfeld Räume geöffnet.

In Brisbane war Smiddy einige Jahre mein Kapitän und wäre es auch in meiner Traumelf. Erst durch ihn habe ich begriffen, was für ein Geschenk es ist, Fußball-Profi sein zu dürfen. Bis ich ihn kennenlernte, habe ich gerne und oft über alles Mögliche gejammert. In Australien haben mich vor allem die unfassbar weiten Reisen gestört, erst recht wenn wir in der asiatischen Champions League gespielt haben. Von Brisbane über Singapur und Bangkok bis nach Buri Ram waren wir einen ganzen Tag unterwegs – und das in der Holzklasse! Doch Smiddy hat das nicht gestört, weil er das Reisen einfach als Teil seines Traumjobs gesehen und dies ganz bewusst gelebt habt. Das hat mich beeindruckt und mich viele Dinge im Profi-Fußball und darüber hinaus anders sehen lassen.

Shane Stefanutto // Linker Verteidiger // Brisbane Roar

Shane hat mir in Brisbane auf der linken Seite den Rücken freigehalten. Abseits des Platzes hatte ich nur recht wenig mit Shane zu tun, doch im Spiel hatten wir eine richtig gute Partnerschaft. Ganz egal ob Training oder Spiel – auf dem Platz hat er immer Vollgas gegeben, viele Kommandos gegeben und keine Ausreden geduldet.

Im Spiel ist Shane den linken Flügel rauf und runter gerannt. Jedes Mal wenn er mich hinterlaufen hat und ich dann in die Mitte gezogen bin, anstatt ihn anzuspielen, hat er geschimpft wie ein Rohrspatz.

Er war ein absoluter Musterprofi, der seinen Beruf zu 100 Prozent ernst genommen hat. Dazu gehörten bei ihm eine vorbildliche Lebensführung mit guter Ernährung und viel Schlaf. Ich habe selten jemanden erlebt, der so professionell war und den sportlichen Erfolg der Gruppe so sehr wollte. Mit seiner außergewöhnlichen Mentalität war Shane für alle anderen ein Vorbild.

Miguel Angel Corona // Defensives Mittelfeld // Brisbane Roar

Für mich ist Miguel ein Musterbeispiel für die spanische Fußballschule. Ich habe nie wieder einen Spieler kennengelernt, der so eine Übersicht und so eine große Ruhe am Ball hatte. Selbst größte Drucksituationen hat er problemlos gelöst, indem er den Ball beim ersten Kontakt immer in den freien Raum weg vom Gegner gespielt hat. Er wusste instinktiv, wo ein Abwehrbein herkam und wie er seine Gegenspieler abschütteln konnte. Zudem konnte er mit links und mit rechts kurze und lange Bälle spielen – die Bälle sind genau dort angekommen, wo er sie hin haben wollte. Summa summarum ein unfassbar guter Fußballer.

Auch abseits des Platzes war Angel eine beeindruckende Persönlichkeit, ein intelligenter und ebenso angenehmer Zeitgenosse. Er war keiner, der den Weg des geringsten Widerstandes geht, sondern hat neue Herausforderungen gesucht. In seiner Zeit in Spanien hat er nebenbei Jura studiert und sich zum Ende seiner Karriere bewusst für den Wechsel nach Australien entschieden, um die englische Sprache, ein anderes Land und eine andere Kultur kennenzulernen.

Matt McKay // Linkes Mittelfeld // Brisbane Roar

Matty war von allen Australiern im Kopf der schnellste. Er war den meisten auf dem Platz ein bis zwei Pässe voraus, vom Spielstil her eigentlich wie jemand aus den europäischen Ligen.

Außerdem war er noch so ein Mentalitätsmonster. Weniger als Vollgas gab es für ihn nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass er es im Training jemals hat locker angehen lassen – ganz gleich ob es einen Tag vor dem Spiel war oder ob wir gerade mal wieder eine halbe Weltreise in den Knochen hatten. Selbst beim Auslaufen nach dem Spiel ist Matty vorne wegmarschiert und hat nicht zugelassen, dass dabei einer nicht mitzieht.

McKay, Smith und Stefanutto haben unserem Team eine ungeheure Mentalität verliehen. Damit hatten sie einen großen Anteil an unseren Erfolgen in der australischen Meisterschaft. Sie waren keine herausragenden Fußballer, verfügten aber über ein sehr hohes Spielverständnis und haben unserer Mannschaft mit ihrem einfachen und klaren Spiel Struktur verliehen und haben mich oft wunderbar in Szene gesetzt. Dank ihnen konnte ich mich auf dem Platz größtenteils auf meine Stärken in der Offensive konzentrieren und vorne mein Ding machen.

Youssef Mokhtari // Rechtes Mittelfeld // Wacker Burghausen

Es ist mir ein absolutes Rätsel, warum Youssef nicht eine größere Karriere hingelegt hat. Von seiner Spielanlage war er ein Typ wie Zvjezdan Misimović, hatte eine perfekte Technik, trat starke Standards, konnte den Ball abschirmen und halten, war mit seiner Übersicht wertvoll im Spielaufbau und ein gefährlicher Torjäger. Ich komme kaum raus aus dem Schwärmen, denn er war einer der besten Fußballer, mit denen ich je zusammengespielt habe.

In Burghausen hat Youssef meine Karriere geprägt, indem er mir beigebracht hat, wie man den Ball am besten hinter die Abwehr bringt, sodass die Stürmer die Bälle besser verarbeiten können. Sein Tipp: Die Bälle weniger Richtung Eckfahne bringen, sondern knapp hinter die Abwehrspieler spielen. Er konnte das wie kein Zweiter und hat unseren Angreifern die Bälle damit perfekt serviert.

Thomas Broich // Linksaußen

Ich hatte meine Stärken eindeutig in der Offensive, war aber nie sonderlich torgefährlich. Zudem war ich weder schnell noch körperlich robust. Meine Schwäche konnte ich mit meiner Spielübersicht und meinem Spielverständnis ausgleichen. Zum Glück hatte ich in Gladbach, Köln und Brisbane Trainer, die meine spielerischen Fähigkeiten geschätzt haben. Als Mittelfeldstratege lag es mir vor allem, Torschussvorlagen zu geben. In der australischen A-League liege ich in der ewigen Bestenliste für die Assists noch immer auf Platz 1.

Im Herbst meiner Karriere habe ich in Brisbane noch eine neue Seite an mir entdeckt und das Pressing zu schätzen gelernt. Wenn wir den Ball verloren hatten, wollten wir ihn so schnell wie möglich wieder zurück. In klassischen Eins-gegen-Eins-Situation war ich zu oft nur der zweite Sieger, aber wenn wir beim Pressing zu dritt oder zu viert angelaufen sind, gelang es selbst mir, Bälle zu gewinnen. Wir haben in Brisbane das »hunting in packs« genannt, weil wir uns dann wie ein Wolfsrudel auf die Jagd nach dem Ball gemacht haben.

Patrick Helmes // Rechtsaußen // 1. FC Köln

Paddy ist einer der wenigen, zu dem der Kontakt während meiner Zeit in Australien nie abgerissen ist. Er ist ein froher Typ, ist eigentlich immer gut drauf und nimmt das Leben nicht zu ernst. Mit ihm hat man nie eine schlechte Zeit!

Ich habe keinen Spieler erlebt, der mit links und rechts so dermaßen gut schießen konnte. Er hatte einen Schuss wie ein Pferd! Dabei hat er gefühlt immer nur 0,3 Sekunden gebraucht, um zum Abschluss zu kommen. Wenn wer mir nach einem Spiel erzählte, wie er sein Tor gemacht hat, ging es quasi immer so: “Dann habe ich den Ball bekommen – und bamm!” Das wurde bei uns zum Running Gag. (lacht) In Köln haben er und Milivoje Novakovic uns quasi im Alleingang zurück in die 1. Liga geschossen.

Faszinierend war auch Paddys Kaltschnäuzigkeit beim Elfmeter. Mit seiner Schusstechnik und seiner Mentalität hat er die Dinger einfach mit Vollspann flach rein in die Ecken gehauen. Seine Elfmetergefühlswelt war das komplette Gegenteil von meiner. Ich selbst war ein ziemlich mieser Schütze. Wenn ich mir den Ball geschnappt habe, hatte ich zunächst noch ein gutes Gefühl, doch spätestens beim Anlauf wurde das Tor für mich immer kleiner und der Torwart immer größer.

Bei Pat war es genau andersrum. Ich erinnere mich an das Spiel 2008 mit dem FC gegen Gladbach, das Derby mit dem Fahnen-Skandal: Wir liegen 0:1 hinten, bekommen in der letzten Minute einen Strafstoß und Pat schnappt sich den Ball. Nach dem Spiel meinte er zu mir, dass sein erster Gedanke war: »Scheiße, wie soll ich den denn bloß reinmachen – das Tor ist so klein und Torwart so groß?« Aber nachdem er sich den Ball auf den Punkt gelegt hat, dachte er nur noch: »Alter Schwede, das Tor ist ja riesig und der Torwart dagegen voll klein. Den kann ich ja gar nicht verschießen!« Natürlich hat er den Ball eiskalt versenkt.

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Gif: Patrick Helmes versenkt den Elfmeter zum 1:1 gegen Gladbach.

Besart Berisha // Stürmer // Brisbane Roar

In Deutschland kennt man Berisha noch von seiner Zeit beim HSV zu Beginn seiner Karriere, wo er den Durchbruch nicht geschafft hat. Das lag seines Erachtens an seiner damals noch nicht so professionellen Einstellung und der großen Konkurrenzsituation mit van der Vaart, Sergej Barbarez und Co.

In Brisbane war er drei Jahre mein kongenialer Partner und Abnehmer meiner Vorlagen. Ohne ihn wäre das sportliche Märchen, das wir mit Brisbane Roar geschrieben haben, nicht möglich gewesen. Er traf wie am Fließband und führt die ewige Torjägerliste der A-League unangefochten an.

Neben seinen Qualitäten vor dem Tor war er ein Mentalitätsbiest und hat einen ganz wichtigen Teil zu der hohen Energie und der Leidenschaft in unserem Team beigetragen. Wenn einer die Gegenspieler beim Pressing von der ersten bis zur letzten Minute so aggressiv anläuft wie Besart, entwickelt das einen Sog, dem man sich als Mitspieler gar nicht entziehen kann.

Nicht selten kam im Spiel sein südosteuropäisches Temperament durch, ständig geriet er mit seinen Gegenspielern in irgendwelche Scharmützel. Privat war er kaum wiederzuerkennen: ein total liebenswürdiger Typ, ein Familienmensch und zu jedermann super freundlich.

Karriere-Insights von Thomas Broich

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Video: Trailer von Tom Meets Zizou: Kein Sommermärchen

Mein bester Trainer

Ange Postecoglou hat mich 2010 nach Australien geholt, als ich von der Bundesliga die Schnauze voll hatte und unbedingt ins Ausland wechseln wollte. Rückblickend muss ich eingestehen, dass ich damals ein Hallodri war, der sich nicht angemessen mit seinem Beruf auseinandergesetzt hat. Bis dahin habe ich gerne gejammert und für alles die passende Ausrede gefunden. Doch das hat Postecoglou mir ganz schnell ausgetrieben und aus mir einen “richtigen” Profi gemacht. Sein turbulentes Leben mit Höhen und Tiefen als Spieler und Trainer hat ihn zu einer starken Persönlichkeit werden lassen. Mit seiner Charakterstärke und Professionalität hatte er einen nachhaltigen Einfluss auf meine eigene Persönlichkeitsentwicklung. Der unfassbar gute Geist, den wir in Brisbane in unserer Mannschaft hatten, ging von ihm aus. Alle haben voll mitgezogen. Es ist uns in Fleisch und Blut übergegangen, immer alles zu geben und uns mit nichts weniger als dem Sieg zufriedenzugeben.

Auch Postecoglous Trainer-Qualitäten waren außergewöhnlich. Noch heute klingt es eigentlich total bescheuert, sich als mittelmäßiger Verein aus Australien an der damals besten Mannschaft der Welt, dem FC Barcelona, zu orientieren, zumal der Fußball in Australien traditionell englisch geprägt ist. Doch Anges Philosophie war klar: Er wollte den Ball haben und das Spiel dominieren. Es hat das Spielverständnis unserer ganzen Mannschaft auf ein neues Level gehoben. Wir hatten im Schnitt knapp 70 Prozent Ballbesitz und haben schönen und erfolgreichen Fußball gespielt, sodass die Presse uns “Roarcelona” getauft hat. Die Spielweise kam mir sehr entgegen und war fußballerisch ein Paradies für mich.

Meine Zeit beim Effzeh mit Christoph Daum

In der Doku »Tom Meets Zizou« habe ich mich sehr kritisch über Christoph Daum geäußert. Heute sehe ich das ganz anders. Ich war ein unreifer Rebell, der gerne die Konfrontation mit ihm gesucht hat, anstatt das gemeinsame Ziel zu sehen. Dass es in Köln für mich sportlich nicht so gut lief, war nicht sein Fehler, sondern muss ich mir selbst zuschreiben.

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Video: Christoph Daum über Thomas Broich und umgekehrt in »Tom Meets Zizou«

Daum hat sportlich auf mich gebaut, mich in vielen Dingen unterstützt und oft seine schützende Hand über mich gehalten. Bestes Beispiel: Eines Tages kam ich viel zu spät zum Training. Damit das nicht auffiel, wollte ich mich auf dem kürzesten Weg auf den Trainingsplatz schleichen. Also bin ich über den Zaun geklettert. Doch beim Sprung vom Zaun bin ich wie in einem schlechten Film auf einem Ast gelandet, der so laut geknackt hat, dass plötzlich alle Blicke auf mich gerichtet waren. Trainer, Spieler, Fans und jede Menge anwesender Journalisten – alle haben es mitbekommen. Eine absurde Situation, ich war auf frischer Tat ertappt. Nach dem Training haben die Journalisten Daum gefragt, warum ich zu spät gekommen sei. Daum parierte galant und improvisierte, dass ich noch beim Arzt gewesen und natürlich alles abgesprochen gewesen sei. Auf Nachfrage, warum ich denn über den Zaun geklettert bin, entgegnete Daum cool: »Also WIE der Thomas zum Training kommt, ob er durch den Vordereingang oder über den Zaun, das kann er ganz alleine entscheiden.« Damit war diese Sache aus der Welt – jedenfalls in der Öffentlichkeit. Intern habe ich natürlich eine Strafe aufgebrummt bekommen. (lacht)

Der Unterschied zwischen der Bundesliga und der A-League

Die zwei wesentlichen Unterschiede zwischen der Bundesliga und der A-League sind das sportliche Niveau und der mediale Druck. Die australische Liga ist allenfalls zweitklassig. Dass ich dort zum »Spieler des Jahrzehnts« gewählt worden bin, ehrt mich sehr, möchte ich aber nicht überbewertet wissen. Zum anderen gibt es dort quasi keinen medialen Druck, was es für Trainer und Spieler viel angenehmer macht und die Vereine dadurch in Ruhe arbeiten können. Auch in sportlichen Krisen ist die Geduld der Klubbosse viel größer als in Deutschland. Das heißt aber nicht, dass wir es sportlich locker angehen lassen haben. Im Gegenteil, die Professionalität und Mentalität, wie ich sie viele Jahre bei Brisbane Roar erlebt habe, kannte ich in der Form aus der Bundesliga nicht – vor allem an mir selbst nicht. Das ist eine Sache, die ich aus Australien fürs Leben mitgenommen habe und die sich nicht nur auf den Fußball beschränkt.

Trotzdem sehe ich die Bundesliga heute viel unaufgeregter als vor meinem Abgang nach Australien. Ich kam damals aus einer pseudo-alternativen Ecke, wollte viele Dinge kritisch sehen und wusste das privilegierte Leben eines Profifußballers nicht zu schätzen. An der jetzigen Bundesliga gefällt mir besonders, dass auf einem hohen Niveau über Fußball gesprochen wird, es geht nun viel mehr um Ausbildung und Taktik. Ich würde es genießen, heute unter taktisch versierten Trainern wie Lucien Favre, Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco oder Florian Kohfeldt zu spielen.

Zu meiner Zeit in Australien hatte ich aber keine Ambitionen, wieder in Deutschland zu spielen. Sportlich und privat war es für mich in Brisbane perfekt, sodass ich nichts an meiner Situation ändern wollte und bis zu meinem Karriereende 2014 dort geblieben bin. Abgesehen davon hatte ich auch keine Angebote aus Europa. Ich wurde zwar zweimal zum »Fußballer des Jahres« gewählt, aber weil das Niveau der A-League überschaubar ist, hat sich niemand ernsthaft dafür interessiert, wie gut oder schlecht ich dort gespielt habe.

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Video: Thomas Broich spricht im Rasenfunk-Podcast über seine Profi-Karriere

Meine Karriere nach der Karriere

Während meiner WG-Zeit mit Jerome in Brisbane haben wir sehr viel über Fußball diskutiert und Bücher von Pep Guardiola, Alex Ferguson, Carlo Ancelotti und Co. gelesen. In Australien hatten wir selbst beide außergewöhnlich gute Trainer, die unser Fußballverständnis auf ein neues Level gehoben haben. Während Tony Popovic, Jiros Trainer in Sydney, den defensiven Atletico-Madrid-Stil gepflegt hat, haben wir mit Brisbane den Barca-Stil kopiert. Für unsere Diskussionen war das sehr fruchtbar, weil wir in vielen Punkten unterschiedlich gedacht haben und dadurch einen wunderbaren Austausch hatten. Zudem haben wir nächtelang europäischen Fußball geschaut. Dabei hat uns die oft oberflächliche Berichterstattung gestört.

Wir haben uns daraufhin gemeinsam ein Konzept für ein Format mit inhaltlicher Tiefe ausgedacht, wie wir fußballinteressierten Leuten den Fußball und die Taktik über kurze und verständliche Videos zugänglich machen können. Unsere inhaltlichen Vorbilder waren Matthias Sammer bei EUROSPORT und die Sendung »Monday Night Football« aus England mit Jamie Carragher und Gary Neville. 2018 haben wir schließlich die zonal.ly GmbH gegründet und erste Dummy-Sendungen für »Tom und Jiro Talking Tactics« gebaut, die wir erfolgreich bei dem Streaming-Sender DAZN angeboten haben. Im Rahmen der Fußball-Übertragungen sind wir als Experte aufgetreten und haben in kurzen, anschaulichen Videos die Taktiken der Mannschaften aufgeschlüsselt. Daraufhin kamen Anfragen von anderen Sendern wie der ARD, wo ich nun bei Fußball-Liveübertragungen als Co-Kommentator tätig bin.

Das gibt mir die Gelegenheit, mich weiter intensiv mit dem Fußball zu beschäftigen und mich mit vielen Protagonisten aus der Szene zu unterhalten. Auf Dauer soll es aber nicht bei der grauen Theorie bleiben. Ich möchte irgendwann selbst eine Profi-Mannschaft als Trainer übernehmen und selbst erfahren, wie gut man den Spielern seine Ideen vermitteln kann und wie es ist, sich mit den anderen Trainern zu messen. Meine Job als Jugendtrainer bei Eintracht Frankfurt, den ich zusammen mit Jerome ausgeführt habe, soll nur der Beginn gewesen sein.

Der Werdegang von Thomas Broich

Jahre Verein Spiele (Tore)
2001–2003 Wacker Burghausen 78 (8)
2004-2006 Borussia Mönchengladbach 68 (4)
2006-2009 1. FC Köln 69 (4)
2009–2010 1. FC Nürnberg 7 (0)
2010–2017 Brisbane Roar 181 (20)

Vereine: 1. FC Köln, 1. FC Nürnberg, Borussia Mönchengladbach, Wacker Burghausen
Kategorie: Spieler
Bildcredits: imago/Kolvenbach
Autor: Lukas große Klönne

Die Traumelf weiterer Fußball-Legenden