Heiko Scholz hat „mit so vielen geilen Fußballern zusammen gespielt, dass es mir schwerfällt, nur eine Traumelf aufzustellen“. Mit der Bedingung, noch eine Ersatzbank nennen zu dürfen, hat es der ehemalige Nationalspieler in Diensten von Lokomotive Leipzig, Dynamo Dresden, Bayer Leverkusen und Werder Bremen aber doch geschafft. Dabei blickt er auf seine Karriere zurück und nennt die größten Unterschiede zwischen der DDR-Oberliga und der Bundesliga.
Heiko Scholz über …
René Müller // Torwart // Lok Leipzig
René Müller ist der beste Torwart, der mir in meiner Karriere begegnet ist. Wenn die Berliner Mauer eher gefallen wäre, hätte er im Westen bestimmt eine große Karriere hingelegt. Doch zu dem Zeitpunkt war er schon 30 Jahre alt. René hatte unglaublich starke Reflexe und eine enorme Sprungkraft. Zudem war er ein Führungsspieler. Er hat jedem seine ehrliche Meinung gesagt und junge Spieler entweder aufgebaut oder zusammengeschissen, je nachdem was in der Situation angebracht war. Ich selbst habe zum Glück nur selten einen Anpfiff von ihm bekommen.
Heiko Scholz // Rechter Verteidiger
Andere Spieler mögen bessere Fußballer gewesen sein, doch ich konnte viel mit meiner Schnelligkeit, meiner Ausdauer und meiner Einstellung wettmachen. Mein großes Plus war meine Flexibilität. Bei Lok Leipzig habe ich als Linksaußen begonnen, bei Bayer im defensiven Mittelfeld und bei Werder Rechtsverteidiger gespielt. Eine Lieblingsposition hatte ich nicht. Mir war nur wichtig, dass ich spiele. Ich habe den Großteil meiner Karriere bei Spitzenmannschaften gespielt, sodass es angesichts der großen Konkurrenzsituation nicht selbstverständlich war, dort Stammspieler zu sein.
Ioan Lupescu // Innenverteidiger // Bayer Leverkusen
Den Ioan Lupescu hat auf dem Platz nichts kaputtgemacht. Seine Ruhe am Ball war außergewöhnlich. Auch in schwierigsten Situation hat er keinen Herzkasper bekommen. Sein Können und seine Ruhe haben unserer Abwehr große Stabilität verliehen. Mit seiner sauberen Spieleröffnung hat er unser Spiel von hinten aufgebaut. Darüber hinaus hat er sich oft ins Spiel nach vorn eingeschaltet. Teilweise war er mehr im Mittelfeld zu finden als hinten.
Ioan ist ein kluger Kopf, der nach seinem Wechsel von Dynamo Bukarest zu Bayer schnell Deutsch gelernt hat. In Leverkusen sind wir gute Freund geworden. Obwohl er schon viele Jahre beim rumänischen Fußballverband arbeitet, ist unser Kontakt nie abgerissen.
Ronald Kreer // Innenverteidiger // Lok Leipzig
Ronald war in den 1980er Jahren bei Lok einer der Säulen unseres Teams und auch Stammspieler in der DDR-Nationalmannschaft. Er hatte einen drahtigen Körper und war auf den Beinen genauso flink wie im Kopf. Trotz seiner aggressiven Spielweise kam er mit wenigen Fouls aus. Er war kein Lautsprecher, sondern eher ein ruhiger Patron – und genauso solide hat er auch gespielt. So einen Mitspieler wünscht man sich!
Marco Bode // Linker Außenverteidiger // Werder Bremen
Marco war bei Werder Bremen mehr als zehn Jahre eine der prägenden Figuren der Mannschaft und ein zuverlässiger Torschütze. Wie bei mir verschob sich seine Position im Laufe seiner Karriere immer weiter nach hinten, bis er schließlich linker Verteidiger gespielt hat.
Otto Rehhagel hatte mich 1995 von Leverkusen zu Werder geholt, doch als ich zur Sommerpause kam, hatte er in der Zwischenzeit bei den Bayern unterschrieben, sodass ich ihn nicht mehr selbst als Trainer erlebt habe. Für den ganzen Verein war es nach der Rehhagel-Ära schwierig, aber Marco war in dieser Zeit eine wichtige Konstante in der Mannschaft. Er ist ein feiner und kluger Mensch. Werder kann sich glücklich schätzen, ihn nach seiner Karriere in den Verein eingebunden zu haben.
Rodolfo Esteban Cardoso // Zentrales Mittelfeld // Werder Bremen
Rodolfo und ich kamen gleichzeitig zu Werder. Man hat sofort gesehen, was für ein herausragender Fußballer er war. Seine Technik hätte jeder gerne gehabt. Stark waren auch seine Freistöße. Mit Mario Basler und Andi Herzog musste er immer ausfechten, wer die Dinger schießt. Auch charakterlich war Rodolfo einwandfrei, hat nie ein böses Wort über andere verloren.
Bernd Schuster // Zentrales Mittelfeld // Bayer Leverkusen
Ich darf mich glücklich schätzen, mit einem Weltstar wie Bernd Schuster zusammengespielt zu haben. Er ist wohl der einzige Spieler, der in Spanien sowohl mit Barca, Real und Atletico Titel gewonnen hat. Bei jedem Training stand sein Bodyguard am Platz. Für mich, der aus dem Osten kam, war das eine ganz andere Welt. Als Typ war Bernd etwas eigenbrötlerisch, dem seine Familie sehr wichtig war. Darum hatte er außerhalb des Trainings und der Spiele nicht viel mit der Mannschaft zu tun. Ich war einer der wenigen im Team, der einen guten Draht zu ihm hatte.
Auf dem Platz war Bernd total handlungsschnell und konnte am Ball alles. Er hat super Standards getreten und Pässe über 40 Meter direkt in den Fuß gespielt. Vor allem unsere Stürmer Andy Thom, Ulf Kirsten und Rudi Völler haben enorm von seinen Zuspielen profitiert. Der »Blonde Engel« war aber auch selbst torgefährlich. Sein »Tor des Jahres« von der Mittellinie gegen den 1. FC Nürnberg mit Andy Köpke im Kasten war kein Zufall.
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Mehr InformationenTorsten Gütschow // Linkes offensives Mittelfeld // Dynamo Dresden
Für mich ist Torsten Gütschow einer der größten Torjäger in der Geschichte von Dynamo Dresden. Im Strafraum war er ein Eisvogel, seine Torquote beeindruckend. Er war technisch versiert und wusste einfach, wo das Tor steht. Auch für ihn kam die Wende etwas zu spät, um noch auf der ganz großen Fußballbühne den Durchbruch zu schaffen. Aber nach seiner Zeit in Dresden hat er bei Galatasaray Istanbul, bei Hannover 96 und beim Chemnitzer FC noch überall seine Buden gemacht.
Andreas Thom // Rechtes offensives Mittelfeld // Bayer Leverkusen
Andy und ich kennen uns schon aus Jugendzeiten. Noch heute sind wir gute Kumpels. Für mich ist der Berliner Jung einer der besten DDR-Stürmer überhaupt. In Leverkusen war er sechs Jahre unumstrittener Stammspieler, bis er schließlich zu Celtic Glasgow gewechselt ist. Den Durchbruch in der DFB-Nationalmannschaft hat er leider nie geschafft, auch wenn er das Potenzial dazu locker gehabt hätte. Nach dem WM-Sieg 1990 von Deutschland waren Jürgen Klinsmann und Rudi Völler gesetzt, dazu kamen noch Stefan Kuntz, Ulf Kirsten, Kalle Riedle und Olaf Marschall. Die Konkurrenz im deutschen Sturm war schon brutal.
Ulf Kirsten // Stürmer // Bayer Leverkusen
Ulf ist ein Stürmer-Idol und einfach ein geiler Fußballer. Im Strafraum hat der »Schwatte« weder sich noch seine Gegenspieler geschont und sich in jeden Ball geworfen. Viele seiner Tore kamen dank seiner Willenskraft zustande. Mit seiner Leidenschaft konnte er seine Mitspieler anstecken. Auch als Mensch ist Ulf ein ganz Großer. Er weiß, wo er hergekommen ist und ist trotz seiner Erfolge immer auf dem Boden geblieben.
Rudi Völler // Stürmer // Bayer Leverkusen
Was ich über den Menschen Ulf Kirsten gesagt habt, trifft im Prinzip auch alles auf Rudi zu. Als Spielertyp haben sie sich aber insofern voneinander unterschieden, als Rudi noch etwas mehr Schlitzohr und dynamischer war. Er konnte auch mal drei Leute austanzen, bevor er das Tor gemacht hat.
Für unseren damaligen Trainer Dragoslav Stepanovic war es nicht einfach, denn in seinem System war nur Platz für einen Mittelstürmer. Wenn man die Wahl zwischen zwei Granaten wie Völler und Kirsten hat, kann man zwar eigentlich nichts falsch machen, aber es eben nicht beiden recht machen, denn natürlich wollten beide immer spielen.
Die Ersatzbank für die meine Traumelf
Frank Rost // Torwart // Werder Bremen
Franko Foda // Abwehr // Bayer Leverkusen
Pavel Hapal // Mittelfeld // Bayer Leverkusen
Hans-Uwe Pilz // Mittelfeld // Dynamo Dresden
Andy Herzog // Mittelfeld // Werder Bremen
Mario Basler // Mittelfeld // Werder Bremen
Ralf Minge // Stürmer // Dynamo Dresden
Karriere-Insights von Heiko Scholz
Mein bester Trainer
Hans-Ulrich Thomale war mein Förderer und Mentor. Ohne ihn hätte meine Karriere bestimmt nicht so einen guten Verlauf genommen. Er hat mich als jungen Spieler von Chemie Leipzig zu Lok Leipzig geholt und mir früh das Vertrauen geschenkt. Dank ihm konnte ich im Europapokal spielen, habe den Pokal in der DDR gewonnen und bin DDR-Nationalspieler geworden. Er war ein Meister des Einsatzes von Zuckerbrot und Peitsche, ich habe die Peitsche aber zum Glück nicht allzu oft zu spüren bekommen, da ich ein recht pflegeleichter Spieler war. Ich wusste, dass ich mich voll reinhängen musste, um meine Position in der Mannschaft zu erkämpfen. Und das hat Thomale scheinbar an mir geschätzt.
Meine schönste Station
Der Fall der Berliner Mauer Ende 1989 war für mich persönlich ein großes Glück, denn so konnte ich in die Bundesliga wechseln und mich dort mit einigen der besten Spieler der Welt messen. Zudem war der Stellenwert des Fußballs in der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik deutlich größer als im Osten, die Trainingsintensität jedoch sehr viel geringer. Für mich war das optimal, denn dadurch konnte ich bei den Pflichtspielen noch mehr Gas geben.
Bei der Frage nach meiner schönsten Station mag ich mich gar nicht auf einen Verein festlegen. Vielmehr war meine gesamte Karriere meine schönste Station. Kleine Abstriche würde ich nur bei meiner Zeit bei Fortuna Köln und Wattenscheid 09 zum Ende meiner Profi-Laufbahn machen, wo ich sportlich leider nicht mehr die Leistung gebracht habe, die mein Name versprochen und die ich selbst von mir erwartet habe. Das i-Tüpfelchen meiner Karriere waren meine Einsätze in der DDR-Nationalmannschaft sowie in der DFB-Auswahl. Die Trikots habe ich heute noch!
Foto: Heiko Scholz mit seinen Nationaltrikots von der DDR und vom DFB.
Der Werdegang von Heiko Scholz
Jahre | Verein | Spiele (Tore) |
---|---|---|
1984–1986 | BSG Chemie Leipzig | 58 (15) |
1986-1990 | 1. FC Lokomotive Leipzig | 86 (2) |
1990-1992 | 1. FC Dynamo Dresden | 32 (4) |
1992–1995 | Bayer 04 Leverkusen | 75 (5) |
1995-1997 | Werder Bremen | 52 (2) |
1997–1998 | SG Fortuna Köln | 20 (0) |
1998-1999 | SG Wattenscheid 09 | 9 (0) |