Uli Stielike

Uli Stielike bei der WM 1982

Den Namen Uli Stielike verbinden viele Fußballfans mit dem verschossenen Elfmeter im Elfmeterschießen WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich und mit der erfolglosen Nationalmannschaft unter der Ägide von Erich Ribbeck, wobei er als Co-Trainer fungierte. Doch das wird Stielike nicht gerecht, denn er war von 1977 bis 1985 unangefochtener Stammspieler bei Real Madrid und wurde in dieser Zeit mehrfach zum besten ausländischen Profi der Primera Division gewählt. Hier blickt er auf seine Karriere zurück und stellt seine persönliche Traumelf aus seinen früheren Mitspielern bei Borussia Mönchengladbach, Real Madrid und Xamax Neuchatel vor.

Uli Stielike über…

Karl Engel // Torwart // Xamax Neuchatel

Torhüter der alten Schule. Vereinte Ruhe und aggressives Spielverhalten auf dem Platz. Hervorragendes Reaktionsvermögen und Stellungsspiel, gepaart mit einem ausgeprägten Charakter. Neben seiner fußballerischen Laufbahn vernachlässigte er nie, trotz den Verpflichtungen bei Xamax, seinen beruflichen Werdegang bei der Bank.

Berti Vogts // Abwehr // Borussia Mönchengladbach

Nebst Hennes Weisweiler einer meiner „Trainer“ bei der Borussia. Außer defensivem Verhalten brachte er mir, dem Jungspund, die richtige, professionelle Einstellung zum Beruf Fußball bei. Schnell, zweikampfstark und unermüdlich als Spieler, anschließend mit konsequenter Linie als Trainer und immer integer bei all seinem professionellen Tun. 

Pirri // Abwehr // Real Madrid

Eine Legende der 60er und 70er Jahre bei Real. Gewann 1966 mit Real den Europapokal der Landesmeister gegen Partizan Belgrad. Verkörperte schon früh den Part des offensiven Liberos. Exzellente Spielübersicht, kopfballstark, kompromisslos, Führungsspieler. Mein Zimmerkollege bei den Trainingslagern, half mir viel bei meiner Integration in den Verein.

Rainer Bonhof // Abwehr // Borussia Mönchengladbach

Sowohl als Abwehr-, wie auch als defensiver Mittelfeldspieler einsetzbar. Nebst seinen außergewöhnlichen, physischen und psychischen Voraussetzungen, war er ein gefürchteter Spezialist für Freistöße und Eckbälle. Trafen uns später wieder als Gegenspieler in Spanien bei Spielen zwischen Real und Valencia.

Camacho // Mittelfeld // Real Madrid

Bereits mit 18 Jahren Stammspieler bei Real. Sehr starkes Umschaltspiel von Defensive auf Offensive. Viele lange Läufe über die linke Seite bis zur Grundlinie, um dann mit seinem linken Fuß zu flanken. Des Öfteren auch mit Spezialaufgaben wie z. B. Manndeckung gegen Johann Cruyff betreut. Eine fast 2-jährige Verletzungspause verhinderte eine noch größere Karriere.

Herbert Wimmer // Mittelfeld // Borussia Mönchengladbach

Das Laufwunder. Was „Hacki“ in einem Spiel an Kilometern ablieferte, war unheimlich. Und das, obwohl er viel mit Achillessehnenproblemen zu kämpfen hatte. Seine persönliche Leistung ordnete er stets dem Wohl der Mannschaft unter.  Aufopferungsvoll, oftmals unauffällig, aber immer effektiv und wertvoll für das Team.

Heinz Hermann // Mittelfeld // Xamax Neuchatel

Stieß 1985 von GC Zürich kommend, gleichzeitig mit mir zu Xamax Neuchatel. Eleganter, sehr feinfühliger und leichtfüßiger Spieler mit hohem technischem Niveau. Absolut beidfüßig und im Mittelfeld polyvalent einsetzbar. Mit 118 Einsätzen für die Schweiz noch heute deren Rekordnationalspieler.

Uli Stielike // Mittelfeld

Die Berufungen in die Kreis-, Bezirks-, Regional- oder Verbandsauswahl begannen bei mir mit 12 Jahren. An eine Möglichkeit im Profifußball Fuß zu fassen, glaubte ich aber erst im Alter von 17 Jahren, als ich Stammspieler in der deutschen A-Juniorennationalmannschaft wurde. Dieses Team war das Sprungbrett. Dort fand ich mit Trainer Herbert Widmayer, der zuvor Verbandssportlehrer in Nordbaden war, und der mich bereits von dortigen Lehrgängen und Spielen her kannte, meinen großen Mentor.

Hinzu kam in meinem Fall das Glück, dass ich bei meinem Heimatverein, der Spvgg 06 Ketsch, von Trainern betreut worden bin, die neben ihrem Hobby, dem Fußball, an der Schule als Lehrer tätig waren. Rückblickend bin ich der festen Überzeugung, dass mir ihre pädagogischen Fähigkeiten bei meinem professionellen Werdegang von Borussia Mönchengladbach über Real Madrid bis nach Xamax Neuchatel sehr hilfreich waren.

Uli Stielike, Real Medid, im Duell mit Bernd Schuster, FC Barcalona
Bild: Uli Stielike von Real Madrid im Spiel gegen den FC Barcelona mit Bernd Schuster

Allan Simonsen // Sturm // Borussia Mönchengladbach

Kleiner, dänischer Wirbelwind. Er brauchte zwar zwei Jahre Anlaufzeit bei der Borussia, war aber dann ein absoluter Topstar. Durch seine flinken, quirligen Bewegungen benötigte er nur wenig Raum. Seine Dribblings stellten viele Gegner vor unlösbare Probleme, dazu war er torgefährlich. Auch wir kreuzten einige Zeit später bei Spielen zwischen Barca und Real die Klingen.

Santillana // Sturm // Real Madrid

Mittelstürmer von eher geringer Körpergröße, aber ausgestattet mit einer gewaltigen Sprungdynamik, daher ein großartiger Kopfballspieler. Oftmals der Anspielpunkt um die Flanken selbst zu verwandeln oder hohe Zuspiele abzulegen für die zweiten Bälle. Typischer Strafraumspieler mit Torinstinkt.

Jupp Heynckes // Sturm // Borussia Mönchengladbach

Die ideale Kombination aus Kraft, Dynamik, Technik und Willensstärke. Als Rechtsfuß von der Linksaußenposition immer wieder zur Mitte ziehend, mit ungeheurem Durchsetzungsvermögen. Beidfüßige Abschlüsse gepaart mit einem guten Kopfballspiel machten ihn mit 195 Bundesligatoren zum Rekordtorschützen der Borussia. 

Karriere-Insights von Uli Stielike

Das vielleicht berühmteste Foto von Uli Stielike: Nach seinem verschossenen Elfmeter im Elfmeterschießen im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich ist er am Boden zerstört.
Das vielleicht berühmteste Foto von Uli Stielike: Nach seinem verschossenen Elfmeter im Elfmeterschießen im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich ist der 42-malige Nationalspieler am Boden zerstört. Doch Deutschland zieht letztlich trotzdem ins Finale ein, weil Toni Schumacher anschließend noch zwei Elfmeter hält.

Herr Stielike, wie wurden Sie bei Gladbach als Jungspund von den etablierten Profis aufgenommen? 

Junge Spieler werden stets argwöhnig von den erfahrenen Profis begutachtet. Der Grund dürfte wohl darin liegen, dass sich viele Jungs mit ihrem angeborenen oder vererbten Talent zufriedengeben. Neben den technischen Fähigkeiten bedarf es aber weiterer Pfeiler, auf die eine gesunde Profikarriere aufgebaut werden muss. Schweißtreibende Konditionsarbeit, taktisches Einfühlungsvermögen, unbändige Willenskraft, die Anerkennung einer Hierarchie und ein hohes Maß an Disziplin sind elementare Bausteine des Erfolgs. Die Älteren haben im Laufe der Zeit viele Talente kommen und gehen sehen und wissen, dass letztendlich nur ganz wenige den Weg zur Spitze schaffen, weil den Meisten irgendeine Grundvoraussetzung fehlt. Bei der Borussia hatte ich zur damaligen Zeit nicht nur Hennes Weisweiler, sondern etliche, weitere „Trainer“ tagtäglich um mich herum. Vogts, Netzer, Heynckes, Wimmer, Sieloff, Rupp, Bonhof oder Köppel musste ich auch erst davon überzeugen, dass ich mich auf meinem Talent nicht ausruhen wollte  

Wie kam es zu Ihrem Wechsel zu Real Madrid? Hatten Sie sich zu dem Zeitpunkt träumen lassen, so viele Jahre dort zu bleiben? 

 Ich glaube, dass ich den Grundstein unwissend selbst ein Jahr zuvor gelegt hatte. 1976 trafen wir im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister mit Borussia auf Real. Wir schieden mit Borussia, dank verschiedener krasser Fehlurteile des holländischen Schiedsrichters, im Rückspiel im Bernabeu-Stadion zwar aus, aber ich hatte als 21-Jähriger wohl einen guten Eindruck hinterlassen. Ein Jahr später, vor unserem Halbfinalrückspiel ebenfalls im Europapokal der Landesmeister gegen Dynamo Kiew rief mich Günter Netzer, der inzwischen für Real spielte, an, dass eine Delegation aus Madrid käme, um sich dieses Spiel und meine Leistung anzuschauen. Die Delegation bestand aus dem Präsidenten Don Santiago Bernabeu sowie seiner rechten Hand, dem Leiter der Geschäftsstelle Agustin Dominguez. Zur damaligen Zeit gab es durch den spanischen Fußballverband eine Beschränkung von zwei ausländischen Spielern für jeden Verein. Unter diesen Vorzeichen konnte ich natürlich nicht davon ausgehen, dass es am Ende, nach zwei Vertragsverlängerungen, acht Jahre werden sollten

Gladbach war in den 1970ern ein Top-Klub, aber Real sicherlich noch eine andere Hausnummer. Wie schnell haben Sie sich dort akklimatisiert? 

 Zwei Dinge waren fundamental. So wie ich mich Jahre zuvor bei der Borussia beweisen musste, um nicht als Talent zu versauern, galt es jetzt nachzuweisen, sich nicht mit diesem Schritt zum wohl größten Club der Welt zufriedenzugeben, sondern Leistung zu erbringen und der Mannschaft zu helfen. Der Zeitpunkt war günstig, denn Real hatte die Saison 1976/77 als Tabellenneunter abgeschlossen. Genauso wichtig war es aber auch, die spanische Sprache zu erlernen, um so in Dialoge einzutreten und auch vermehrt Dinge wahrzunehmen. Die Sprache öffnet einem ein komplett anderes Miteinander, ein intensiveres Lebensgefühl.

Mit dem Team wurden wir auf Anhieb spanischer Meister, ich trug mit guten Leistungen und 13 erzielten Toren meinen Teil dazu bei. Innerhalb kürzester Zeit hatten sich meine Frau und ich aber auch an den spanischen Lebensstil gewöhnt und uns auch außerhalb des Spielfelds vollumfänglich integriert  

In der Bundesliga waren Sie vermehrt als Verteidiger im Einsatz, bei Real spielten Sie aber vorwiegend im Mittelfeld. Wie kam es dazu? 

Meine ersten Einsätze bei der Borussia waren Lückenfüller für verletzte oder gesperrte Mitspieler. Mit Grauen erinnere ich mich an Spiele als rechter Verteidiger oder Vorstopper, bei denen ich in der Regel schlecht aussah. Vor allem, wenn ich in der letzten Linie im direkten Duell auf routinierte, schnelle und trickreiche Spieler traf und mir die Erfahrungswerte fehlten, um zum Beispiel fehlende Grundschnelligkeit auszugleichen. Zum einen sah Hennes Weilweiler dies, und zum anderen wollte er keinen jungen, unerfahrenen Libero, denn dies war die Position, die ich in der Jugendnationalmannschaft innehatte. Somit formte er mich so nach und nach zu einem polyvalenten Mittelfeldspieler. Das kam mir zugute, denn in der Nationalmannschaft wurde ich vorwiegend als Libero, in Madrid, besonders in den ersten Jahren, überwiegend im Mittelfeld eingesetzt.

Sie spielten als deutscher Nationalspieler acht Jahre in Spanien, wurden spanischer Meister, Pokalsieger, UEFA-Cup-Sieger und mehrfach zum besten ausländischen Spieler gewählt. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Sie ein Fußball-Star waren. Gleichzeit sind Sie selbst auf dem Boden geblieben. Haben Sie sich trotzdem zumindest manchmal wie ein Star gefühlt? 

Meinem Empfinden nach hat die Bodenhaftigkeit viel mit dem Elternhaus und etwas mit dem Freundeskreis zu tun. Ein Mix aus Erziehung und Umgebung. Als Profifußballer musst du verstehen, dass der Platz, auf dem du agierst, mehr ist als nur ein Spielfeld und die Begegnung, die du bestreitest, mehr ist als nur ein Spiel. Es sind Aufführungen, bei denen es darum geht besser zu sein als dein Gegenüber. Du wirst von zigtausenden Menschen im Stadion beobachtet, analysiert und kritisiert. Sie können einen direkten Einfluss auf deine Leistung haben, das Ergebnis wiederum prägt die Gemütszustände aller. Daher sehe ich den Austragungsort als eine Mischung aus Theater und Arena, in der es gilt deine, dir zugedachte Rolle auszuüben. Du musst aggressiv agieren, darfst dich in den Vordergrund drängeln, sollst im Licht der Scheinwerfer stehen und kannst dich auch, bei entsprechender Leistung, als Star fühlen. Eventuell sind es aber Attribute, die mit deinem persönlichen Naturell kollidieren. Daher muss man in eine Art Rolle schlüpfen. Die Schwierigkeit für einige Spieler liegt darin, dass sie entweder nicht in der Lage sind, die erforderlichen Charaktereigenschaften für 90 Minuten anzunehmen oder sie nach dem Spiel nicht ablegen wollen oder können. Die einen triumphieren nicht, die anderen gelten als arrogante Schnösel.

Was hat Sie bewogen, von einem der größten Vereine zum Ende Ihrer Karriere in die eher beschauliche Schweiz zu Neuchâtel Xamax zu wechseln?

Ich hätte meine Fußballschuhe gerne bei Real Madrid an den Nagel gehängt, doch 1985 kam mit Ramon Mendoza ein neuer Präsident ins Amt. Der Argentinier Jorge Valdano war gerade ein Jahr zuvor aus Zaragoza zu Madrid gewechselt und stand noch für zwei weitere Jahre unter Vertrag, Mendoza wollte zudem ein neues Gesicht präsentieren und holte den Mexikaner Hugo Sanchez von Atletico Madrid. Die Ausländerregel der zwei Plätze war noch in Kraft und somit ausgeschöpft, also musste ich mir eine neue Bleibe suchen. 

Zur Wahrheit gehört auch, dass man damals als 30-Jähriger zum alten Eisen zählte. Aber gerade diese Tatsache war ein neuer Ansporn für mich. Es war nun mein drittes Mal, dass ich mir und anderen beweisen wollte, dass dies nicht der Fall ist. Zwei Jahre später wurde Xamax Neuchatel zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte Schweizer Meister. 

Werdegang von Uli Stielike als Spieler

Jahre Verein Spiele (Tore)
1972–1977 Borussia Mönchengladbach 109 (12)
1977-1985 Real Madrid 215 (41)
1985-1988 Neuchâtel Xamax 67 (10)

Vereine: Borussia Mönchengladbach
Kategorie: Spieler
Bildcredits: imago sportfoto
Autor: Lukas große Klönne

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